Keule
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Herkunft: Samoa, Polynesien
Material: Hartholz, beschädigt
Maße: H. 72 cm
Datierung: um 1900 |
Polynesien – damit ist das gewaltige Dreieck von Hawaii im Norden bis Neuseeland im Südwesten und der Osterinsel im Südosten gemeint. Es umschließt sowohl kleine Koralleneilande als auch große vulkanische Inseln in einem relativ einheitlichen Kulturraum. Die vergleichsweise hellhäutige Bevölkerung und ihre Kultur gehen auf die letzte Einwanderungswelle der Austronesier aus dem südasiatischen Kontinent in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende zurück. Die weitverstreute Besiedlung des riesigen (vormals menschenleeren) Ozeanraumes – mit Nutzpflanzen und Haustieren an Bord – war nur möglich mittels einzigartiger Bootskonstruktionen und Navigationskenntnisse. Die Polynesier waren zweifellos die besten Seefahrer der Geschichte.
Für Europa wichtig war die Entdeckung Tahitis und anderer polynesischer Inseln zur Zeit der Aufklärung: Damals wurde mit der Idealisierung der vermeintlich egalitären Zustände die eigene Monarchie kritisiert und die bis in unsere Tage reichende Südsee-Romantik begründet. Aber auch in Polynesien gab es immer Machtmissbrauch und Krieg, wovon die zahlreichen Waffen zeugen, die von dort in die deutschen Museen gelangten.
Schon mit den ersten gelandeten Europäern gab es einen regen Warenaustausch: Körbe, Matten, Speere und Keulen gegen Eisengerät und europäischen Plunder. Das Kunstschaffen Polynesiens ist relativ schlicht und sachlich, es gibt kaum figurale Kunst. Doch das neue Werkzeug brachte die Holzbearbeitung zur Blüte, die Schnitzereien wurden feiner und komplexer. Schon bald regte die steigende Nachfrage nach exotischen Souvenirs die Produktion von Holz- und Flechtwerken an, während „ursprüngliche“ Kunstwerke wie Federmäntel und -hauben bald „ausverkauft“ waren.
Samoa gehört neben Tonga bis heute zu den wichtigsten Kulturzentren im Westen Polynesiens. In jeder ethnografischen Sammlung Deutschlands befinden sich einige zu Kolonialzeiten gängige Souvenirs aus Samoa. West-Samoa war von 1900 bis 1914 einzige deutsche Kolonie in Polynesien und ist heute ein unabhängiger Staat. Beliebt waren damals die Holzkeulen, die alte Hauptwaffe der Samoaner, die auch als Tanzstäbe von den Dorfjungfrauen benutzt wurden. Aber schon 1890 bedauerte ein Zeitzeuge, dass Holzkeulen nur noch für den Verkauf an Fremde hergestellt würden.
Es gab eine große Formenvielfalt an Keulen, die deutlich fremde Einflüsse anderer Inseln zeigt. Das vorliegende Stück hat neben den 25 herausgearbeiteten, zahlreich ausgebrochenen Zähnen auch einen Haken, der laut alter kolonialer Quellen zum Abtransport erschlagener Feinde diente. Nach heutigem Forschungsstand zitiert dieser Haken eher die Form der eisernen Speckmesser des Walfangs.
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