DDR - Strategien der Vielfalt
"Also, ich hatte nie das Gefühl, daß mir irgendwas fehlte..."
Private Kochkunst
"In meiner Generation ist es größtenteils nicht mehr so, daß Essen eine Rolle spielt. Weil du eigentlich immer gesehen hast: Essen war da. Du hast nie einen Mangel an Nahrungsmitteln gespürt, insofern spielt es auch für dich auch keine Rolle mehr." (Karl, 25 Jahre)
Das Eßverhalten der in der DDR aufgewachsenen Generationen wurde wesentlich weniger als Teil eines Lebensstils begriffen und zur Abgrenzung, zur sozialen Positionierung eingesetzt als in Westdeutschland. Dennoch wurde den Familienmahlzeiten besondere Bedeutung beigemessen; sie bildeten in gewisser Weise festliche Höhepunkte des Familienlebens. In diesem Zusammenhang konnten einzelne Nahrungsmittel hohen sozialen, symbolischen Wert erhalten: v.a. Westprodukte und selten vorhandene Lebensmittel wie Südfrüchte, Filet-Fleisch, bestimmte Gemüsekonserven und Joghurt.
Garten
"Man hat natürlich auch den eigenen Garten gehabt, z.B. um sich mit Gemüse zu versorgen. Was da alles gewachsen ist. Das wurde und wird heute noch sehr intensiv von meinen Eltern bewirtschaftet ." (Leon, 24 Jahre) Etwa jeder zweite Haushalt verfügte über einen eigenen Garten. Wer nicht ein eigenes Stück Garten auf dem Lande besaß, baute in städtischen Kleingartenanlagen oder bei seiner "Datsche" an, um Versorgungsunregelmäßigkeiten auszugleichen und Obst und Gemüse für den Winter einzulagern.
Öffentliche Versorgungseinrichtungen
In der DDR waren rund 90% der kleinen Kinder in Kinderkrippen und Kindergärten untergebracht. Sie wurden dort verpflegt. 72% aller Schulkinder bekamen Gemeinschaftsverpflegung. Ebenso hoch lagen die Anteile beim Kantinenessen. Die Mahlzeiten wurden zum Selbstkostenpreis abgegeben. Da auch besser beliefert als der Einzelhandel, konnten sie reichlich relativ gutes Essen anbieten. Sicherlich hat dieses gemeinsame Essen in Betrieben, Schulen, Kindergärten etc. zum einen ein Gemeinschaftsgefühl gefördert, andererseits auch (symbolisch) das Gefühl erzeugt: "Vater-Staat" sorgt für uns.
Frage: "Unter der Woche wurde dann immer in der Schulküche gegessen?"
Judith: "Na ja, meine Eltern mußten oftmals bis halb zwei arbeiten, und wann sollten die da kochen? Wär' auch viel teurer gewesen, wenn du selber gekocht hättest, dir das alles hättest einkaufen müssen."
Frau D.: "Bei uns war das gesund, was es gab."
Gaststättenbesuch
"Damals war das Essen keine Notwendigkeit, damit man den Tag über die Runden bekommt, sondern es war Kultur, es war normaler Umgang. Also, man ist öfter mal in die Gaststätte gegangen. Es war schon anders." (Leon) Im Restaurant zu essen, hatte wenig mit Sozialprestige und Differenzierungsbemühen zu tun. Man ging meist als Gruppe in Gaststätten, wo zumeist klassisch gut-bürgerliche Küche angeboten wurde. "Ausländisches" wurde in sogenannten Krusta-Stuben (Pizza) und aus Ungarn übernommenen Broilergaststätten (Hähnchenbratereien) angeboten.
Tausch
"Also dieses System der Beziehungen, also nicht der zwischenmenschlichen - es waren auch schon zwischenmenschliche Beziehungen, aber es war so ein interner Handel: Produkt gegen Produkt... - das hat irgendwie schon funktioniert." (Leon, 24 Jahre)
"Ja, weiß ich noch: meiner Freundin hab ich dann öfter mal Nachhilfeunterricht gegeben - so Mathe oder Deutsch. Und ihre Mutter, die hat dann halt immer eine Stiege Eier mitgegeben oder einmal Äpfel oder mal Walnüsse. Über die Walnüsse haben wir uns immer besonders gefreut, weil wir die nicht hatten." (Judith, 25 Jahre)
Wahrnehmung West: "historisch gewissermaßen zurückgeblieben"
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