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BRD - Vom Hungerwinter zum kulinarischen Schlaraffenland?
Hungerjahre: 1945-48
Für unsereins unvorstellbar, für die älteren Generationen noch bittere Erinnerung: Nach Kriegsende waren viele Lebensmittel durch Hamstern und Schwarzmarkt dem Erzeuger-Verbraucher-Verkehr entzogen. Lebensnotwendige Grundnahrungsmittel wurden bis 1950 über Essensmarken zugeteilt, die Beschaffung und Bereitung ausreichender Kost verlangte viel Phantasie (z.B. "Verlängerter Gulasch").
Freßwelle: 50er Jahre
Mit der Einführung der neuen Währung kam Ware in die Läden, das erste Geld wurde für's Essen ausgegeben. Schnell stieg der Verbrauch an importierten "Luxusgütern" wie Kaffee, Südfrüchte, Schokolade und Tabak. "Die Vermessenheit der Deutschen" ließ sich an deren Körperumfang ablesen: Die "starke Figur" als Statussymbol deutete auf den hohen Verbrauch sättigender und fetter Speisen hin. In den Kühlschränken waren bereits erste "exotische", amerikanische Produkte zu finden: Ketchup, Coca Cola, Kondensmilch, Fertigsaucen.
Internationalisierung: 1960-75
Bedingt durch uneingeschränkte Importmöglichkeiten und wachsenden Massentourismus wurden mehr und mehr Spezialitäten ausländischer Küche salonfähig: Pizza, Spaghetti, Artischocken, Melonen und ähnliches tauchten in deutschen Speiseplänen auf. Gleichzeitig erfuhr die "gutbürgerliche" Küche der Vorkriegsjahre eine Renaissance. Dabei lebte die Lebensmittelindustrie von einer zunehmenden Standardisierung und Technologisierung von Nahrungsmitteln, die die Frauen vom Diktat der Zubereitungsdauer entlasteten.
Edelfreßwelle: 1975-80
Neue Impulse gelangten aus dem Nachbarland Frankreich in die deutsche Küche. Paul Bocuse entwickelte die "Nouvelle Cuisine" und erhob damit das Kochen zu einer Wissenschaft mit Kunstcharakter: die Steigerung der Schmackhaftigkeit auch bei leichter verdaulichen Speisen. Edelprodukte wie Hummer, Kaviar und Muscheln, aber auch frisches Gemüses wurden Ausdruck gehobener Eßkultur. Parallel dazu propagierten Anhänger der anwachsenden Gesundheitsbewegung den Rückgriff auf saisonale, regionale Angebote, ebenso auf Frische und Qualität.
Heute: Schlicht-luxuriös und die Wiederentdeckung der regionalen Küche
Zunächst wurde die Nouvelle Cuisine noch mit deutscher Einfachheit kombiniert ("Reibedatschi mit Kaviar"). Danach kommt es zu einer Rückbesinnung auf regionale Traditionen: Lokale Spezialitäten finden Eingang in die Gastronomie. Ausländische Spezialitätenrestaurants bestechen durch leichte und einfache Vielfalt, und eine Reihe von "Neuigkeiten" erreicht durch geschickte Werbestrategien auch "kleinbürgerliche" Haushalte: Der Römertopf, das Fondue-Set, der Raclette-Grill und der Wok lassen sich in Supermärkten preiswert erstehen. Dazu passend werden exotische und traditionelle Gerichte fertig zubereitet für den schnellen Gourmet, neuerdings auch für Singles. Seit wenigen Jahren boomt auch der Gesundheitsmarkt. War dies anfangs eine Sache von wenigen "Müsli-Freaks", so zeugt ein verstärkter Konsum von "Bio"- und "Light"-Produkten von einem, jedoch selektiven und oberflächlichen Gesundheitsbewußtsein: "Mir muß auch schmecken, was gesund ist."
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